Piko (Gützold) DR V180/118 (DDR)

Vorab ein kleiner Blick in die Entwicklung der Modelleisenbahnen in der DDR. Der Volkseigene Betrieb (VEB) Piko übernahm 1967 als sogenannter Leitbetrieb die Planung und Bilanzierung aller zur Erzeugnisgruppe Modellspielwaren zugehöriger Betriebe. Damit wurden weitere Entwicklungen der bisher noch weitgehend eigenständig agierenden Hersteller stark eingeschränkt. Im Jahr 1972 wurden dann die meisten Betriebe zudem verstaatlicht.

Piko selber war aber nicht nur eine „Überfirma“, sondern stellte selber Modellbahnen und Spielwaren her. Zuerst wurde die Firma noch Pico geschrieben, was möglicherweise von „Piccolo“ abgeleitet wurde. Dann jedoch wurde das „C“ durch ein „K“ ersetzt, da es als Abkürzung für das wohlklingende „Pionier Konstruktion“ verwendet wurde.

Dies möchte ich erwähnen, da für viele Modellbahner und natürlich ganz besonders für die aus dem früheren „Westen“, zu denen auch ich zähle, eigentlich alles, was aus dem „Osten“ kam, eben Piko war. Dies war zwar sicher nachvollziehbar und auch so beabsichtigt, aber eben viel zu einfach. Erst nach der Wiedervereinigung wurde klar, dass Piko nicht nur Piko, sondern eine Anzahl unterschiedlicher Hersteller war. Einige Namen sind zum Beispiel Prefo, Hruska, Schicht und auch Gützold. Gerade Gützold zeichnete sich ja für das Modell der V180/118 verantwortlich, um das es in diesem Modellbahnwahn geht.

Geschichte

Bei Gützold waren vor der VEB-Zeit bereits einige noch heute bekannte H0-Modelle erschienen. So die V200 der DB, der VT137, die Dampflokomotiven der Baureihen 24 und 75, wie auch die kleine CSD Rangierlok vom Typ BN150 (blau/rot/grün). Dort entstanden aber auch so Klassiker wie die V100/110, die 52er mit Kondenstender und die Taigatrommel (V200/120). Ein weiterer solcher Klassiker war und ist auch die V180/118 der DR, von Gützold entwickelt, gefertigt und unter dem Namen Piko vertrieben. Zur Vereinfachung werde ich hier immer nur von “Piko” schreiben.

Leider liegen mir nicht alle Piko Kataloge vor, zudem erschienen diese auch nicht jährlich (und dann teilweise auch ohne Jahresangabe - die lies sich dann aus der Preisliste entnehmen, aber die fehlt oft), so dass es nicht immer leicht ist, das Erscheinungsjahr einzugrenzen, es ist daher immer nur als ungefähre Angabe zu verstehen.

Das erste “Erscheinen” der V180 war bereits im Jahr 1967 festzustellen. So zeigte die Zeitschrift “Das Signal” (das war eine kleine DIN A5 Broschüre, die vierteljährlich erschien, herausgegeben vom GHG Möbel - Kulturwaren - Sportartikel Leipzig und Dresden - Ein Informationsdienst für Modelleisenbahnartikel, technische und elektrische Spielwaren) im Heft 23/1967 ein erstes Bild eines Handmusters der V180 in rot/elfenbein bei den Neuerscheinungen. Auch eine Vollsichtkanzel V180 wurde bereits als weitere Ausführung gezeigt, hier aber noch mit einem Vorbildfoto..erger Spielwarenmesse das Handmuster einer V180. Angekündigt wurden zwei Versionen, die Regel- ausführung und die Vollsichtkanzel.

Auch auf der Nürnberger Spielwarenmesse war das Handmuster einer V180.zu sehen. Angekündigt wurden wieder zwei Versionen, die Regelausführung und die Vollsichtkanzel.

Der Modelleisenbahner bummelte im Heft 5/1968 über die Leipziger Frühlingsmesse und fand hier ebenfalls die neue V180. Es wurden Modellfotos beider Versionen gezeigt.

Der Piko Katalog von 1970 bestätigte dann diese Ankündigungen (der Katalog 1968/1969 enthielt noch keinen Hinweis). So war die Normalausführung in beige/rot mit zwei Streifen zu sehen, welche die Betriebsnummer V180 128 trug (Bestellnummer: 190/G 19). Außerdem war die Version mit der Vollsichtkanzel in der Lackierung beige/blau und der Betriebsnummer V180 059 im Angebot (190/G 20). Im Begleittext ging man auf die Modelle ein: „Achsfolge B´B´, Antrieb durch 12-Volt-Permanentmotor auf alle 4 Achsen, kräftige Zugleistung, beiderseitige Stirnbeleuchtung, hervorragend originalgetreu detailliert – bewährte Qualitätsarbeit im technischen Aufbau und in der Gestaltung, LüP 223 mm“.

Die Ziffer “190” in der Bestellnummer, wie auch das später entfallene “G” war übrigens die Kennzeichnung für den Hersteller Gützold. Das spätere “EM” stand für VEB Eisenbahn-Modellbau Zwickau, aber das war ja eigentlich auch Gützold.

Bei der DR wurden ab 1970 die EDV-Nummern bei den Lokomotiven eingeführt. Selbstverständlich wurde dies auch bei den Modellen umgesetzt und dies wohl relativ zeitnah. Zuvor jedoch wurde bei der V180 in der Normalausführung die Lackierung an die inzwischen beim Vorbild durchgeführten Veränderungen angepasst und der obere der beiden Zierstreifen entfiel. Die Betriebsnummer V180 128 wurde dabei jedoch beibehalten. Vermutlich ebenfalls in dieser Zeit ca. 1969/1970 erschien die Version mit der Vollsichtkanzel auch in der Lackierung beige/rot (wobei das Rot mehr ein Orange war) und mit der bereits von der beige/blauen Lok bekannten Betriebsnummer V180 059.

Irgenwann in dieser Zeit müsste dann auch das Modell der V200 1001 erschienen sein. Mit ist der Zeitraum jedoch noch völlig unklar, der Grund und vor allem die Auflage. Bisher ist mir lediglich ein solches Modell bekannt, das darum auch eine eigene Unterseite erhalten hat.

Vermutlich ab ca. 1972 wurde auch beim Modell die Computernummer wiedergegeben. Mir liegt ein Katalog des Importeurs Schreiber von 1973/1974 vor, wo bereits diese Ausführung zu sehen ist, So zeigte auch der Piko Katalog von 1974 nun drei Ausführungen des Modells mit Computernummer. Die Normalausführung trug nun die Betriebsnummer 118 142-8 (190/EM 19) und von der Version mit der Vollsichtkanzel gab es die Lackierungsvarianten beige/blau und beige/orange, die beide mit der Betriebsnummer 118 059-5 versehen waren (190/EM 20). Bei den Modellen der 118 142-8 sind auch Produktionen aufgetaucht, die seitlich nicht mit der Betriebsnummer bedruckt wurden. Ob man diesen jedoch Sammlerstatus zugestehen soll, ist für mich eher fraglich.

Von diesen drei Versionen sind Modelle mit und ohne die Gützold Bodenprägung bekannt. Aber dies war nicht der einzige Unterschied, sondern viel auffälliger war, dass während der weiteren Produktion die bisherigen festen Plastikpuffer (mit weißem Rand) durch Gummipuffer ersetzt wurden. Auch die Hakenkupplung wurde durch eine Bügelkupplung ersetzt. Da dies aber nicht alles gleichzeitig geschah, gibt es auch Modelle mit Gummipuffern und Hakenkupplungen usw.. Nach bisherigem Stand dürften die Gummipuffer deutlich früher als die Kupplungsänderung eingeführt worden sein.

Dann gab es hier auch noch ein Sondermodell. In einer Piko Expert Zugpackung erschien eine weitere Lok mit Vollsichtkanzel und drei Personenwagen, sowie einigen Gleisen. Lok und Wagen waren nun aber in beige/helltürkis lackiert wurden. Diese Packung wurde mit der Bestellnummer 602267 und dem Vermerk „Inter-City“ auf den Markt gebracht. Wohl eher als Einsteigermodell gedacht, auf was die Wagen ohne jegliche Rahmenbeschriftung hindeuten, dürfte es sich bei dieser Version des Modells heute um die seltenste Ausführung handeln. In einer dieser Packungen, so wurde mir mitgeteilt, lag eine Lokbeschreibung, die als Datum der Endkontrolle einen Stempel mit dem Aufdruck „Juni 1977“ trägt. So kann man wohl den Herstellungszeitraum um 1977 eingrenzen.

Eine solche Lok brachte im September bei eBay (ohne Wagen und Gleise) immerhin knapp 150 EUR.

Auch eine Zugpackung mit einer beige/roten 118 mit Vollsichtkanzel soll erschienen sein, die liegt mir jedoch nicht vor.

Im Katalog der ca. 1978 erschien, hatte sich das Angebot nicht verändert, in Westdeutschland zahlte man seinerzeit übrigens für die Modelle neu ca. 70,00 DM (ca. 35,00 EUR). Der Katalog von ca. 1981 zeigte dann weiterhin die beiden Versionen mit der Vollsichtkanzel, nun aber mit veränderten Bestellnummern. So trug die beige/orange 118 059-5 die Bestellnummer 190/20/1 und die beige/blaue 118 059-5 die Bestellnummer 190/20/2. Als Neuheit kam nun mit der Bestellnummer 119/19/1 die 118 117-1 in das Programm. Bei diesem Modell, welches auch graue Drehgestellblenden erhalten hatte, wurde von Piko das Gehäuse vorbildgerecht abgeändert. Der Begleittext ging dabei auch auf diese Veränderungen ein: „(…) im Gegensatz zum bisherigen Modell der 118.1 hat dieses Modell veränderte Details. Statt 4 Seitenfenster weist es zwei Seitenfenster und 2 Lüftungsgitter auf. Beleuchtetes Dreilicht-Spitzensignal. Motor und Getriebe leicht zugänglich, einfache Wartung, Farbgebung vorbildgetreu, Beschriftung entsprechend der seit 1970 geltenden Vorschriften der DR. Das Vorbild wurde erstmals 1965 bei der DR in Dienst gestellt und entstammt der Bauserie 118 101 bis 118 182. Eingesetzt werden diese Lokomotiven im Reisezug- als auch Güterzugdienst auf Hauptbahnen“.

Zu diesem Zeitpunkt, Anfang der 1980er Jahre (und vermutlich mit dem Modell der 118 117-1), fand in diesem Zusammenhang aber noch eine weitere Überarbeitung des Gehäuses statt, welches auch die Modelle mit der Vollsichtkanzel betraf. So wurde das ganze Gehäuse neu gestaltet. Einige hierbei deutlich sichtbare Änderungen waren die 4 kleinen Querstreben in den Abgasöffnungen der Dieselmotoren auf dem Dach. Waren diese zuvor nur sehr flach in den Abgasöffnungen graviert, reichten sie nun fast bis zur oberen Kante. Die Lüfter in der Dachschräge hatten nun nicht mehr die zusätzlichen vertikalen Verdickungen, außerdem hatten die 3 kleinen Seitenklappen ihre Griffe jetzt jeweils links und nicht mehr rechts. Auch die großen Doppelklappen an den Ecken zur Front hatten nun angedeutete Griffe erhalten. Die Regenrinne über den Einstiegstüren war etwas nach oben versetzt und schloss nicht mehr direkt mit dem Türrahmen ab, die Pufferbohle, bzw. die Schläuche und die Kupplungen waren überarbeitet worden und auch die Kühllüfter auf dem Dach und die ganzen Nieten waren feiner geprägt worden. Die Maschinenraumfester waren nun ungeteilt. Bilder dazu finden sich auf der Unterseite “Details”.

Eine weitere Veränderung, die aber nur bei den Vollsichtkanzelloks durchgeführt wurde, war das Abgasrohr des Heizkessels. Ich versuche dies zu beschrieben. Man betrachtet die Lok seitlich, so dass der Führerstand 1 links ist. Das ist die Seite, wo an der Seitenwand unter den Maschinenraumfenstern/-lüftern 2 kleine Klappen geprägt wurden. Bei den ganzen Versionen ist nun das Abgasrohr des Heizkessels hinter der Gehäusebefestigungsschraube zu finden. Dies ist jedoch nicht vorbildgerecht. Bei den Modellen mit Vollsichtkanzel wurde dies im Rahmen der Gehäuseüberarbeitung geändert. Dort ist das Abgasrohr nun vor der Gehäusebefestigungsschraube zu finden.

Aber keine Regel ohne Ausnahme. So gibt es von der Erstserie der V180 128 mit den zwei Zierstreifen Modelle, bei denen die Lackierung “verdreht” wurde, so dass das Abgasrohr auf der richtigen Seite ist. Dann stimmen aber die Klappen nicht. Weitere Hinweise nehme ich gerne entgegen.

Nach diesen ganzen Erläuterungen, was für Änderungen am Gehäuse wann durchgeführt wurden und welche Loknummern die Modelle hatten, dürfte das nebenstehende Foto ziemlich viele Fragen aufwerfen.

Eine 118 142-9 mit dem veränderten Gehäuse mit nur 2 Seitenfenstern.

Tatsächlich gibt es auch diese Übergangsversion. Offenbar wurden noch Modelle mit der alten Loknummer und dem neuen Gehäuse hergestellt. Sie sind selten, aber mit etwas Geduld immer mal wieder zu finden.

Ein weiterer Katalog, der Mitte der 1980er Jahre erschien (evtl.1986) beinhaltete weiterhin die bereits genannten drei Modellversionen. Der Katalogtext war dabei etwas verändert worden: „(…) im Gegensatz zu den Lokomotiven der Bauserie 118 003 bis 118 087 ersetzte man die Fenster neben den Einstiegen durch Lüftungsgitter, um die Belüftung des Maschinenraums zu verbessern. (…)“.

In den Folgejahren kam es zu einer erneuten Veränderung bei der Normalversion, während die beiden Loks mit der Vollsichtkanzel unverändert blieben. So wurde die bisherige 118 117-1 durch die neue Betriebsnummer 118 181-7 ersetzt. Aber nicht nur das, sondern nun hatte das Modell eine veränderte Lackierung im sogenannten Sparlack erhalten, bei dem der weiße Streifen im unteren Bereich nur noch um die Fronten geführt wurde. Im Katalog von 1990/1991 war dies Modell dann auch so abgebildet. Die Bestellnummer bleib dabei unverändert.

Aber unabhängig davon gab es auch Modelle mit der zuvor verwendeten Betriebsnummer 118 117-1 mit dem Sparlack, so unglaublich das auch klingt.

Dann kam die Wende mit der Wiedervereinigung und die einzelnen Firmen des VEB Piko erlebten teilweise eine Wiederauferstehung. So auch Gützold, welche ja die Formen der 118 in ihren Werkshallen hatte. So war es nur logisch, dass die 118 weiter auf den Markt gebracht wurde. Unter dem Namen Gützold und in der entsprechenden Verpackung blieben die zuletzt genannten drei Modelle im Programm und die beiden Vollsichtkanzel-Lokomotiven waren auch im Gützold Katalog 1992/1993 zu sehen, bzw. im Angebot.

Aber auch die 118 181-7 wurde von Gützold auf den Markt gebracht und all diese drei Modelle erschienen kurz nach der Wende auch in Wechselstrom mit einem elektronischen Umschaltrelais. Aufgrund des Schleiferanbaus wurde nur noch ein Drehgestell angetrieben.

Im Katalog 1992/1993 waren aber nicht nur die beiden Versionen mit der Vollsichtkanzel zu sehen, sondern es gab zwei weitere Modelle, nämlich sogenannte “Regierungsloks” für den Sonderzug. Dies waren die 118 552 und die 118 548, die ebenfalls in Gleich- und Wechselstrom erschienen sind. Auch dies waren Modelle, die technisch noch unverändert waren und den früheren Modellen entsprachen.

Auf der Basis dieses Modells entstanden in der Folge bei Gützold weitere Lokomotiven der Baureihe, die jedoch technisch völlig überarbeitet wurden. Dies soll aber nicht mehr Inhalt dieses Modellbahnwahns sein.

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