Vorwort

Die Firma Roco aus Österreich ist bekannt für qualitativ hochwertige Modelle von Loks und Wagen. Über Jahrzehnte hat sich Roco diesen guten Ruf auf dem Modellbahnmarkt erarbeitet und das sicher auch zu Recht. Filigrane Stromabnehmer, freistehende Griffstangen, vorbildliche Isolatoren, saubere Bedruckungen, Motoren mit Schwungmassen und feine Details sind nur einige Begriffe, die regelmäßig fallen.

Roco Turbo Train

Es gibt aber auch noch einen Roco-Triebwagen neben der Perfektion und damit meine ich nicht die günstigen Hobby Line Modelle…

Es gibt aber auch noch ein Roco-Tempo über der vorbildlichen Höchstgeschwindigkeit und damit meine ich nicht den ICE…

Es gibt aber auch noch einen Roco-Spielspaß unterhalb der Digitalisierung und damit meine ich nicht den Einbau einer Schnittstelle…

Es gibt aber auch noch einen Roco-Zug mit einem wohlklingenden Namen und damit meine ich nicht einen Triebwagen der SNCF…

Hier ist der Modellbahnwahn Bericht über den Roco Turbo Train.

Die Verpackung

Ja was hatte ich denn da wieder angestellt? Anstatt mir einen brauchbaren Wagen zu kaufen, in der Kneipe eine Runde zu schmeißen oder das Sparschwein zu füllen, musste ich mir einen Roco Turbo Train bei einem nicht unbekannten Auktionshaus ersteigern. Keine Ahnung, was mich da geritten hat oder wie hoch der Pegel war, plötzlich war das Ding meins. Das lag vermutlich auch daran, dass ich nicht gerade viel Konkurrenz beim Steigern hatte.

Ich hatte dies ja alles fast schon wieder verdrängt, als Tage später der Paketbote meines Vertrauens den Karton anschleppte und mir doch gleich wieder unterstellte, dass das wohl eine Auktion gewesen sei. Dies dementierte ich natürlich sofort. Wie immer vermutete ich, dass meine Frau da wohl wieder etwas auf meinen Namen bestellt haben muss. Ich erkannte deutlich, dass mein Paketbote mir, wie immer, glaubte.

Da lag also die durchaus beeindruckende Schachtel vor mir. Mit einer Größe von 68 cm x 43 cm x 9 cm machte sie einiges her und…sie war noch originalverschweißt. Dumm nur, dass der Turbo Train dadurch eben noch originalverpackt war. Also musste zuerst einmal der innere Schweinehund überwunden werden, der da sagte, dass nur ein originalverpacktes Set ein richtig wertvolles Set sei. Irgendwo schien da doch noch Koll´sches Gedankengut tief in meinem Hirn vorhanden zu sein. Aber hiergegen hilft wie immer Logik und die Frage, warum ich mir überhaupt so etwas gekauft habe, wenn ich es nicht auspacken kann. Gute Frage, nächste Frage…und nach einer Woche schwerster Überlegungszeit war die Plastikfolie entfernt. 

Der Hersteller ist Roco und ein Blick auf die Schachtel zeigt deutlich das bekannte Roco Logo und stellt sicher, dass es auch wirklich die richtige Firma Roco ist, die diesen Turbo Train fertigte. Bestellnummer des Sets ist 49100.

Der Schachteldeckel zeigt in bunten und dynamischen Farben, was sich im Inneren verbirgt. Ein Turbo Train Set mit Station, Tunnel, Tower, Controller, Power Pack und der Turbo Schanze. Der Untertitel „Der schnellste Zug der Welt!“ lässt ahnen, dass man es hier nicht mit einer normalen Modellbahn im üblichen Sinne zu tun hat. Hier ist man einen große Schritt weiter. „Supergeschwindigkeit! Ohne Schwerkraft!“…spätestens jetzt kommen erste leise Hoffnungen auf, eine neue Dimension im Modellbahnerleben erreichen zu können. Das hat nichts mehr mit einer Anfangspackung und einer 89er zu tun, das ist auch kein TEE mit Sound. Es drängen sich erste Ideen von einem Space Shuttle auf Schienen auf.

Oben der erste Blick in die Schachtel...aha...dafür gibt es unten die Beschreibung (anklicken zum Vergrößern und Genießen ;-)

Die Beschreibung

Die Kartonbögen

Der Kartonbogen ist so groß wie die Verpackung und ist nochmals zu entfalten. Auf einer Fläche von ca. 65 x 83 cm sind die bereits vorgestanzten, farbigen Gebäude der späteren Anlage zu bewundern. Im einzelnen handelt es sich dabei um einen futuristischen Tunnel, der gebaut dann 74 cm Länge erreicht. Eine Station mit der Aufschrift Tyco Turbo Train Terminal, welche gebaut 33 cm Länge hat und dem Tower mit Aufschrift Track Control, der aus zwei Teilen besteht und 17 cm Höhe erreicht.

Unten das Tyco Turbo Track Terminal

Die Gleise und die Elektrik

Unter dem Kartonbogen findet man dann den Turbo Train mit all seinen Teilen. Fangen wir mit den Gleisstücken an. Da sind 10 gebogene Gleise (46 cm, 30 Grad), von denen je 3 Stück einen Viertelkreis ergeben, sowie im gleichen Radius und in gleicher Länge ein Eingleisungsgleis und ein Anschlussgleis. Dazu weitere 3 gebogene Gleise des gleichen Radius (46 cm, 60 Grad), die doppelt so lang sind. An geraden Gleisen findet man 4 Stück mit einer Länge von 46 cm. Die Krönung sind jedoch die beiden Gleise, die in einem 90 Grad Winkel nach oben zeigen. Eine Gleiskrümmung, die bisher vielleicht von Modellautorennbahnen, aber nicht von Modelleisenbahnen bekannt war. So werden hier völlig neue Wege in der Gestaltung einer Bahnanlage beschritten. Die Spurweite entspricht übrigens dem üblichen H0-Maßstab.

Es gibt weiter zwei graue Rampenstücke aus Plastik, in welche die gekrümmten Schienenstücke eingeschoben werden, sowie ein kleines Stück von einem Roco Rubber und 8 Schienenverbinder.

Der Turbo Train

Nach dem Abheben des Schachteldeckels liegt der beeindruckende Inhalt in einer Styroporbox vor den wässrigen Augen des Bahnwahnsinnigen. Das heißt, erst einmal sieht man gar nichts, außer einer Beschreibung und einem seltsam grüngelben Bogen, darunter ein Blatt gestanzter Karton. 

Die 4-seitige Beschreibung stellt den prinzipiellen Aufbau der Anlage dar, die eine Fläche von ca. 180 x 190 cm beansprucht. Außerdem wird auf 3 Seiten in einzelnen Schritten der Gleiszusammenbau, die Schienenreinigung, die Lokomotive, die Bedienung des Geschwindigkeitsreglers, das Anhängen der Wagen und die Reinigung der Lok beschrieben. Hier erklärt sich auch der grüngelbe Bogen. Dabei handelt es sich um selbstklebende Leuchtstreifen, die über die seitlichen Schwellen der Schienen zu kleben sind. Diese Leuchtstreifen funktionieren tatsächlich hervorragend, wie ich sofort in einem abgedunkelten Raum feststellen konnte. Von einem Einsatz des Geigerzählers habe ich jedoch abgesehen und frage mich nur, warum plötzlich ein ABC-Spürpanzer der Bundeswehr in unserer Straße parkt. Von einer Verwendung der Streifen sehe ich jedoch erst einmal ab und lege sie in eine Bleibox.

Oben der Tunnel, unten die beiden Teile des Track Control

Nun kommen wir zum Herz der Packung, dem Turbo Train. Dieser besteht aus einem Triebkopf und zwei Personenwagen. Der H0-Maßstab scheint hier aber nicht ganz eingehalten worden zu sein. Der Triebwagen erinnert eher an den TT-Maßstab. Aber es ist durchaus denkbar, dass es sich um einen H0-Triebwagen mit sehr geringem Lichtraumprofil handeln könnte.

Der Triebkopf besteht aus einem Plastikgehäuse mit eingesetzten rauchbraunen Fensterteilen, die aus einer dünnen Folie bestehen. Von unten wurde der Antrieb in das Gehäuse eingeschraubt und lässt sich leicht mit zwei Schrauben von unten lösen. Ein Befestigungssystem, welches man sich auch von höherpreisigen Modellen wünschen würde. Der Antrieb selber besteht aus einem dreipoligen Motor ohne Schwungmasse, der über eine Welle einen Radsatz des Triebwagens antreibt. Der Antrieb ist daher knallhart und schnörkellos, etwas für das nächste Jahrtausend. Die Stromabnahme erfolgt kompromisslos durch zwei Schienenschleifer, die durch Federn auf die Gleisoberseiten gedrückt werden, ähnlich wie bei Slot Cars. Der ganze Triebkopf ist extrem leichtgewichtig gehalten, da es hier auch nicht um Traktion, sondern um Höchstgeschwindigkeit geht. Der Triebkopf trägt die Betriebsnummer 9, die beiden Wagen die Nummern 6 und 8. Die Wagen sind identisch aufgebaut, unterscheiden sich jedoch im Formguss. Während Wagen 8 ein Mittelwagen ist, der beidseitig Kupplungsmöglichkeiten vorweist, ist Wagen 6 ein Endwagen. Auch in der Fensteraufteilung unterscheiden sich die beiden Wagen. Die Kupplung selber ist ein auf das Wesentliche reduziertes Plastikteil, welches zuverlässig arbeitet, allerdings freizügiges Kuppeln nicht zulässt. Das Erscheinungsbild des Zuges lässt die Geschwindigkeit erahnen und wirkt geschlossen. Allerdings sind die Wagen nur mit Plastikachsen ausgestattet, was evtl. bei längeren Einsätzen Probleme verursachen könnte. Alle Teile des Triebwagens sind aus weißem Plastik gefertigt und tragen rote Zierstreifen. Hier sind deutliche Anklänge an den ICE der DBAG zu sehen. Zusätzlich tragen die Fahrzeugteile die Beschriftung „TTT“, was m. E. Tyco Turbo Train bedeutet.

Fahrerlebnis

Der Fahrregler liegt pistolenartig in der Hand und ermöglicht, den Triebwagen innerhalb kürzester Zeit auf die Höchstgeschwindigkeit zu beschleunigen, die er benötigt, um beinahe schwerelos über die Strecke zu gleiten und damit die 90 Grad Steilkurve zu bewältigen. Hier wird Modelleisenbahn in einer neuen Dimension präsentiert, die man bisher so nicht gekannt hat. Eine Abkehr vom detailverliebten Perfektionismus und eine Reduktion auf das Wesentliche der Modellbahn: Strom, Schiene und Geschwindigkeit. Eine Hand am Regler, den Blick starr auf den Triebwagen gerichtet, jedes Zucken des Zeigefingers wird sofort umgesetzt…keine digitalen Späßchen, keine Soundeffekte, Modellbahn pur! Aber was ist denn nun das Geheimnis dieser Schwerelosigkeit, die einen in eine andere Bahnwahndimension versetzt? Nach langwierigen Tests und Versuchen bleibt man an zwei kleinen Magneten hängen, die an der Unterseite des Triebkopfes und der Wagen angebracht sind. Hier steckt also die Haftung, die dieses neue Erlebnis ermöglicht. Kurz ist man zwar über die Einfachheit verblüfft, erinnert sich dann aber an technische Meisterwerke wie Magnetschienenbremsen und sieht hier die logische Fortentwicklung. Nur die Schienen...die sollten dann schon magnetisch sein. Hier haben wir auf jeden Fall ein neues Erlebnis der Modellbahnerei, wenn man diese alte Packung noch in die Hände bekommt und das im Übrigen auch will.

Herkunft

Und wer ist nun wirklich der Hersteller von all diesem Bahnwahn? Auch wenn Roco auf der Verpackung steht, sind Gleise, Regler, Netzteil usw. alle mit dem Namen Tyco gekennzeichnet. Während die Gleise den Aufdruck „Made in Austria“ tragen, findet man auf dem Regler, sowie dem Anschluss- und Eingleisungsgleis „Made in Hong Kong”. Das Netzteil ist zudem „Made in Denmark“, die Rampenteile sind „Made by Tyco in USA“, die Schienenverbinder sind „Made by Tyco in Taiwan“. Also eine geradezu internationale Mischung, einem derartigen länderübergreifenden Turbo Train angemessen.

Es dürfte also auf der Hand liegen, dass die mehrfach genannte Firma Tyco auch der Hersteller ist und Roco den Turbo Train nur unter seinem Namen in Europa vermarktet hatte. Von einem anderen Bahnwahnsinnigen bekam ich in einem Mail eine Homepage genannt und diese bestätigte alle Vermutungen. Die USA Firma Tyco brachte im Jahr 1986 den Turbo Train heraus. Die damalige Verpackung mit Inhalt entsprach fast vollständig unserem Roco Produkt. Während jedoch meines Wissens von Roco keine weiteren Nachfolgeprodukte erschienen, brachte Tyco in den USA noch weitere Modelle auf den Markt. So den Turbo Express (ein Güterzug), den Super Turbo Train, ein Set Twin Turbo Trains (also gleich mit 2 Zügen und parallel geführten Gleisen) usw. Allerdings verschwand diese Linie im Jahr 1991 dann doch wieder relativ schnell.

Für weitere Infos zum Tyco Turbo Train und ein paar zusätzliche Fotos kann ich daher nun auf diese Seite verweisen.

bahnwahn Modellbahnwahn

Erstellt im völligen bahnwahn: 10.10.2006

Geändert: 19.06.2014